10.05.2025

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Mit Dreck gebaut

01.05.2003
Dank der billigen Baumaterialien und im Überfluss vorhandener freiwilliger Mitarbeiter werden die Lehmhäuser für die Erdbebenopfer keine zu schwere finanzielle Belastung darstellen.

Am 21. September 1999 verwüstete ein schweres Erdbeben der Stärke 7,3 auf der Richter-Skala Zentraltaiwan. Die Erdstöße forderten nicht nur rund 2400 Menschenleben, sondern machten auch noch etwa 100 000 Menschen obdachlos. Eine deutsche Organisation, die seit 1991 Lehmhäuser für Tschernobyl-Opfer in Weißrussland errichtet, beteiligte sich im März dieses Jahres unter Anwendung der ökologischen Lehmbauweise am immer noch laufenden Wiederaufbau in der Region.

Das Dorf Tannan 潭南(Gemeinde Hsinyi信義, Kreis Nantou南投) liegt rund 50 Kilometer von Chichi集集, dem Epizentrum des großen Bebens von 1999, entfernt. Der in den Bergen liegende, überwiegend von Ureinwohnern des Bunun-Stammes(布農族) bewohnte Ort wirkt entlegener als er wirklich ist -- die Autofahrt auf der schmalen Bergstraße dauert etwa eine halbe Stunde.

Die Bergstraße selbst ist in gutem Zustand, die durch das Erdbeben verursachten Schäden sind längst beseitigt. Doch an zahlreichen Gebäuden, an denen man unterwegs vorbeifährt, sieht man heute noch Risse im Mauerwerk, und auffallend sind auch die vielen kahlen Hänge im Bergland. Ob es sich dabei um Wunden handelt, die das Erdbeben geschlagen hat, oder Folgen eines der Taifune, die in den letzten Sommern über die Insel hinweggefegt sind, verraten die Berge nicht.

Im März dieses Jahres erlebte die verschlafen wirkende Ortschaft einen ungewöhnlichen Ansturm. Mehrere Mitarbeiter des deutschen Vereins "Heim-statt Tschernobyl e. V.", darunter drei Zimmermänner, und Hunderte taiwanische Freiwillige aus allen Teilen der Insel fanden sich zusammen, um innerhalb von vier Wochen insgesamt fünf Rohbauten (eines davon in deutscher Fachwerkbauweise) für Menschen hochzuziehen, die durch das Erdbeben ihr Obdach verloren hatten.

Als Baumaterial dienten zwei Stoffe, die seit Menschengedenken zum Hausbau verwendet werden, beim modernen Hausbau heute jedoch kaum noch zum Einsatz kommen: Holz und Lehm. Sowohl in Taiwan als auch in Deutschland sind Lehmhäuser oft noch als "Arme-Leute-Häuser" verpönt, doch seitdem man in Deutschland auf die hervorragenden Isoliereigenschaften des überall vorhandenen und daher billigen Baustoffs Lehm aufmerksam wurde, wächst dort die Schar der Anhänger dieser alten und doch neuen, ökologischen Bauweise.

Auf Lehm schwört auch die Heim-statt Tschernobyl. Der Name dieses 1992 gegründeten Vereins ist Programm: Seit über zehn Jahren fahren Freiwillige des Vereins jeden Sommer nach Weißrussland und bauen dort Lehmhäuser für Menschen, deren Heimat nach der Reaktorkatastrophe am 26. April 1986 in Tschernobyl (Ukraine) durch radioaktiven Niederschlag schwer verstrahlt wurde.

Mit den Bauprojekten in Weißrussland setzt die Heim-statt Tschernobyl eine Tradition fort, die 1907 vom Pastor und ehemaligen Afrika-Missionar Gustav von Bodelschwingh (1872-1944) mit der evangelischen Bau- und Siedlungsgesellschaft "Heimstätte Dünne gem. GmbH" begründet worden war. Ausgangspunkt waren die Erfahrungen, die v. Bodelschwingh als Missionar in Tansania gemacht hatte: Unter Mithilfe der Familie und Nachbarn bauten sich die Menschen dort ihre Häuser mit Lehmziegeln selbst. So entstanden in den zwanziger Jahren in Ostwestfalen und im Ruhrgebiet über 500 Lehmhäuser, die heute noch stehen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Kriegsopfer und Vertriebene dank solcher Lehmhäuser ein Dach über dem Kopf bekommen.

Der in Afrika geborene Gedanke des kollektiven Einsatzes beim Lehmhausbau steht heute im Mittelpunkt des Konzepts der Heim-statt Tschernobyl. Ähnlich wie bei sozialen Bauprojekten mit Langzeitarbeitslosen und leistungsgeminderten Personen packen heute in Weißrussland Leute auf dem Bau mit an, die von ihrem Hintergrund her keine Bauarbeiter sind. "Da macht ein Brigadegeneral genauso mit wie ein Amtsrichter und Professoren", freut sich Dietrich von Bodelschwingh, Theologe und Großneffe Gustav von Bodelschwinghs, der beim Weißrusslandprojekt einen wesentlichen Teil der organisatorischen Arbeit bewältigt. "Mehrere Chefärzte haben wir dabei, aber auch Obdachlose und arbeitslose Jugendliche fahren regelmäßig mit."

Die künftigen Bewohner stehen da nicht außen vor, im Gegenteil. Durch eine Vereinbarung der Heim-statt Tschernobyl wurde festgelegt, dass die Umsiedler sich ein Jahr lang (bis zu ihrem Einzug) an allen Baumaßnahmen ihres und der Nachbarhäuser unentgeltlich beteiligen, denn die Organisation will kein Almosen verteilen, sondern Hilfe durch Selbsthilfe leisten.

Die Bilanz der Heim-statt Tschernobyl kann sich sehen lassen. Im Norden Weißrusslands entstand in achtjährigem Einsatz das Umsiedlerdorf "Drushnaja", zu Deutsch freundschaftliches Dorf, mit 31 Häusern. Eine zweite Siedlung wird derzeit bei Lepel, ebenfalls im Norden Weißrusslands, errichtet. Die neuen Bewohner stammen aus den südlichen Landesteilen, die an die Ukraine grenzen und wo 70 Prozent des radioaktiven Fallouts nach dem GAU niedergingen.

Mit Dreck gebaut

Abgesehen von dem in Zusammenarbeit mit der Heim-statt Tschernobyl errichteten Haus mit Holzrahmen deutscher Art baut Hsieh Ying-chun(謝英俊) im Erdbebengebiet Lehmhäuser nach seinem eigenen Verfahren.

Die von der Heim-statt Tschernobyl angewandte Technik beim Hausbau ist relativ simpel. Auf einem horizontal abgedichteten Streifenfundament errichten Zimmerleute zunächst aus Holzbalken einen "Ständerwerk" genannten Rahmen für Wände und Dachstuhl. Anschließend wird in die Kletterverschalungen der Wände eine so genannte "Speißmasse" aus Lehm und Holzhäcksel (also fein gehackte Holzstücke und Späne) eingefüllt. Für die Zwischendecken wird zwecks wirksamerer Schalldämmung eine schwerere Lehmmasse (geringerer Holzanteil) benutzt, fürs Dach ist der Holzanteil höher, was die wärmeisolierenden Eigenschaften verbessert.

Diese Technik bietet gleich zwei Vorteile. Zum einen ist der Baustoff Lehm praktisch überall umsonst vorhanden, zum anderen braucht man nur für die Konstruktion des Holzrahmens ausgebildete Fachleute -- das Füllen der Wände kann von ungelernten Freiwilligen besorgt werden. Diesen beiden Vorteilen ist es zu verdanken, dass diese Häuser für Katastrophenopfer, die vorher ihre Wohnstätte verloren und deswegen meist mittellos sind, erschwinglich sind.

Da die Heim-statt Tschernobyl jedes Mal mehrere Dutzend Freiwillige zu einem Baueinsatz mitbringt, ist der Rohbau in der Regel innerhalb eines Monats fertig. In Weißrussland müssen die Lehmwände danach mindestens zwei Monate trocknen. Zum Schutz vor Witterungseinflüssen werden die Außenmauern anschließend noch mit einer Holzverschalung verkleidet.

Installationen und Innenausbau sind dann wieder konventionell.

"Die von den Deutschen angewandte Bautechnik ähnelt der traditionellen chinesischen Bauweise", erklärt der Architekt Hsieh Ying-chun, der von taiwanischer Seite aus das Projekt unterstützt. "Der Unterschied ist der, dass die traditionellen Häuser im Stammesgebiet mit einzelnen Lehmziegeln gebaut wurden und keinen Holzrahmen besaßen." Zu der Bauweise der Lehmhäuser in Weißrussland gibt es ebenfalls Unterschiede, die sich aus den abweichenden natürlichen Bedingungen ergeben -- das Klima in Weißrussland ist kälter und trockener, und außerdem gibt es dort keine Erdbeben. "Wegen der Erdbebengefahr werden die Häuser hier extra stärker gebaut." Anders als in Weißrussland werden die Lehmhäuser hier ohne Keller hochgezogen, und der Lehm braucht in Taiwans feuchtem Klima auch mehr als doppelt so lange zum Trocknen. Doch selbst bei tropischem Dauerregen können die Wände dank des schützenden Daches nach spätestens einem halben Jahr trocken sein. In Tannan ging das Trocknen indes erheblich schneller als erwartet. Nachdem in weniger als zwei Monaten die Wände des nach deutscher Art gebauten Lehmhauses gut getrocknet waren, wurden unter tatkräftiger Mithilfe der Anwohner Mitte Mai die Außenwände verputzt.

Hinsichtlich der Stabilität ist Lehm weitaus besser als sein Ruf. Massiver Lehm ist im Prinzip nichts anderes als luftgetrockneter Stein und wird denn auch steinhart. "Ich habe acht Jahre in einem 1923 gebauten Lehmhaus gewohnt, da hingen die Küchenschränke an den Wänden", beschreibt v. Bodelschwingh. Andererseits hat massiver Lehm weniger gute Isoliereigenschaften als Lehm mit Beimischung von Holzhäcksel oder Stroh, daher kann man in den Häusern in Weißrussland wahrscheinlich nicht so schwere Schränke an die Wände hängen wie in den "Arme-Leute-Häusern" in Nordrhein-Westfalen mit ihren massiven Lehmwänden.

Weißrussland und Deutschland liegen weit von Taiwan entfernt. Dass die Heim-statt Tschernobyl auf dieser asiatischen Insel aktiv wurde, ist vor allem Dr. Hu Shiang-ling(胡湘玲) zu verdanken. Die Taiwanerin mit dem Studienschwerpunkt Energiepolitik, Wissenschafts- und Technik-Soziologie promovierte an der Universität Bielefeld und lebt seit über 10 Jahren in Deutschland. Gemeinsam mit ihrem Mann Wei Ren-jeng(韋仁正), einem an der Universität Bielefeld beschäftigten Mathematiker, kaufte sie sich ein 150 Jahre altes, unter Denkmalschutz stehendes Haus in Löhne bei Bielefeld, und der Zufall wollte es, dass in der gleichen Straße auch ein Zimmermann wohnt, der in der Heim-statt Tschernobyl engagiert ist. Mit der Arbeit am eigenen Haus ergab sich der Kontakt, und so erfuhr Hu von dem Hausbauprojekt in Weißrussland. Der für die technischen Fragen der Heim-statt Tschernobyl zuständige Zimmermann Hubert Heinrichs wohnt übrigens in der ebenfalls nicht weit von Löhne entfernten Stadt Hiddenhausen (Kreis Herford).

"Die humanitäre Unterstützung für die Tschernobyl-Opfer hat mich sehr berührt und überrascht, und ich habe sofort an die Erdbebenopfer in Taiwan gedacht", erzählt Hu. Sie wandte sich daraufhin an einen ihrer Bekannten in Taiwan, nämlich den Architekten Hsieh, der sich seit dem Erdbeben bemüht, Wohnraum für Erdbebenopfer zu schaffen. Von da bis zu dem Entschluss, das erste Gemeinschaftsprojekt dieser Art zwischen Taiwan und dem Ausland durchzuführen, war es nicht mehr weit.

Für die Suche nach den erforderlichen Freiwilligen für die Baustelle bediente Hu sich des Internet und konnte dabei ihren Enthusiasmus erfolgreich auf die Menschen in Taiwan übertragen. "Ich habe in einem Monat über 1000 Emails bekommen", berichtet sie. "Was hierher kommt, ist eine Mischung, die habe ich noch nie so erlebt", pflichtet v. Bodelschwingh bei. "Hier ist ein Kulminationspunkt von unterschiedlichen Kräften, die hier zusammenfließen, was wäre damit zu machen! Das ist ein Potenzial unwahrscheinlicher Art."

Mit Dreck gebaut

Zu der Bauaktion im März meldeten sich Hunderte von Freiwilligen. Ein Teil von ihnen wurde in von der Gemeinde organisierten Unterkünften einquartiert, der Rest schlief in Zelten.

Die große Zahl verfügbarer Freiwilliger ist einer der Aspekte, durch den solche Bauprojekte überhaupt erst möglich werden. Zwar sind die Materialkosten für Lehmhäuser mit Holzrahmen recht gering, doch die Entschädigung in Höhe von 280 000 NT$ (7180 Euro), welche die Regierung der Republik China den Erdbebenopfern zahlt, würde aufgrund der Arbeitskosten für den Bau eines Lehmhauses nicht ausreichen. Ohne ehrenamtliche Mitarbeit und Privatspenden geht es daher nicht, weder in Taiwan noch in Weißrussland -- für die Heim-statt Tschernobyl kamen im Laufe der Jahre Privatspenden in Höhe von 3 Millionen DM zusammen. In Taiwan gab es ebenfalls Spenden, und das Forstamt förderte das Projekt, indem es kostenlos Holz zur Verfügung stellte.

Der ermutigende Auftakt kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Projekt in Taiwan für eine Fortsetzung schwierige Hindernisse zu überwinden hat. Das größte Hindernis ist die geografische Entfernung, die regelmäßige Baufreizeiten wie in Weißrussland unwahrscheinlich macht. Die Vermittlung des erforderlichen Knowhows wird durch die Entfernung ebenfalls erschwert. Ein Zimmermannshandwerk wie in Deutschland ist in Taiwan unbekannt. Zwar werden im kommenden Sommer mehrere Taiwaner mit der Heim-statt Tschernobyl nach Weißrussland mitfahren, aber Architekt Hsieh will sich nicht ausschließlich auf die deutsche Zimmermannskunst verlassen und plant bereits den Bau neuer Lehmhäuser unter Anwendung taiwanischer Rahmentechniken.

Zimmermannstechniken lassen sich in wenigen Jahren erlernen. Wie lange man jedoch dazu braucht, das Problem der fehlenden Wertschätzung für Lehmhäuser in Taiwan zu lösen, weiß niemand zu sagen. "Für die meisten Leute bedeutet es Gesichtsverlust, in ein Lehmhaus zu ziehen", seufzt Hsieh. "Heute lebt man lieber in Zementhäusern. Es liegt eben am Wertekonzept." Anders als in Europa ist in Taiwan das Umweltbewusstsein eher unterentwickelt, außer vielleicht in den Städten. Dabei ist der ökologische Vorteil von Lehmhäusern nicht nur in kälteren Klimazonen offenkundig. Ein Lehmhaus kann bis zu 80 Prozent Energie sparen -- im Winter geht die Heizwärme nicht verloren. Gleichfalls lebt es sich auch in den Tropen angenehmer im Lehmhaus: Die Lehmwände können im Sommer die Hitze fernhalten, so dass man noch nicht mal mehr eine Klimaanlage braucht. Doch in Deutschland hat die Erfahrung gelehrt, dass das Heranreifen eines Umweltbewusstseins in weiten Teilen der Bevölkerung Jahrzehnte dauern kann.

Wenn das Lehmhausprojekt in Taiwan längerfristig fortgeführt werden soll, wird man technisch und organisatorisch ohne deutsche Hilfe auskommen müssen. Doch das ist ohnehin das Ziel der Heim-statt Tschernobyl, die keine Abhängigkeiten schaffen will. So wurde beispielsweise in Weißrussland im Jahre 1999 der "Internationale gemeinnützig-gesellschaftliche Verein ÖkoDom" gegründet, der als weißrussisches humanitäres Unternehmen neben den persönlichen Hilfen Strukturhilfen für das Land vor dem Hintergrund der Tschernobyl-Katastrophe entwickelt und an der Arbeit der Heim-statt anknüpft.

Das Beispiel könnte auch in Taiwan Schule machen, zumal die politischen Rahmenbedingungen in Taiwan weitaus günstiger sind als in Weißrussland. "Man kann nicht ohne die Regierung arbeiten, aber in Weißrussland ist die Lukaschenko -Regierung ein sehr feindseliges Regime", beschreibt v. Bodelschwingh. Taiwanische Regierungskreise haben schon Interesse gezeigt: "Es besteht eine Zusammenarbeit mit der Organisation 'Nuklearfreier Park'(非核家園) und Yeh Jiunn-rong(葉俊榮), und es gab auch Kontakt mit Chang Kwo-lung(張國龍)", sagt Dr. Hu. Yeh Jiunn-rong ist Juraprofessor und seit 2002 Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett von Premierminister Yu Shyi-kun(游錫堃), Chang Kwo-lung ist politischer Vize-Minister im Prüfungsministerium der Republik China(考選部) und seit langem eine führende Persönlichkeit in der Anti-AKW-Bewegung der Insel.

Die Existenz eines Menschen definiert sich nicht allein aus der Tatsache, ob ein Dach über dem Kopf vorhanden ist. Wenn jemand, der aufgrund einer Katastrophe sein Haus verloren hat, ein neues Haus bekommt und/oder umgesiedelt wird, muss dabei berücksichtigt werden, ob im neuen Umfeld abgesehen von der Unterbringung die Existenzgrundlage gegeben ist. Die Heim-statt Tschernobyl versteht sich nicht als Baufirma, sondern legt auch großes Gewicht auf den Komplex "Existenz". So konnte das Dorf Drushnaja nur entstehen, weil zu jedem Haus ein 5000 Quadratmeter großer Garten für landwirtschaftliche Nutzung gehört, und zur Energieversorgung wurden auf einer Anhöhe unweit der Siedlung zwei Windräder mit insgesamt 850 Kilowatt Nennleistung aufgestellt.

"Der Hausbau ist nur ein Sektor der Entwicklungsarbeit", definiert v. Bodelschwingh. Die Strukturschwäche der zentraltaiwanischen Bergregion blieb ihm während seines Aufenthaltes nicht verborgen. "Man erlebt hier zwar viel Interesse, aber auch Hoffnungslosigkeit und Alkoholismus", stellt er fest. Viele Gemeinden im landschaftlich schönen taiwanischen Bergland suchen ihr Heil im Fremdenverkehr, wovon v. Bodelschwingh nicht viel hält. Einen Ausweg sieht er in der Holzverarbeitung. "Man hat mir gesagt, Holz sei so teuer, weil es so wenig Sägewerke gibt und die Anfahrtswege teuer sind. Wenn sich eine Gemeinschaft auf Häuserbau konzentriert und dazu viel Holz gebraucht wird, könnte man doch ein bisschen Holzverarbeitungsindustrie entwickeln."

Mit einer solchen Aufgabe wäre die Heim-statt Tschernobyl indes aufgrund der großen räumlichen Entfernung und auch aus finanziellen Gründen überfordert. Der große Ansturm von Freiwilligen beim Häuserbau war ein ermutigendes Zeichen dafür, dass in Taiwan ein Potenzial für wohltätiges Engagement vorhanden ist, das geweckt werden will. Nun müssen die Beteiligten auf taiwanischer Seite die Vorarbeit der Heim-statt Tschernobyl fortführen und die Regierung der Republik China davon überzeugen, dass mit vergleichsweise geringem Aufwand -- Werbekampagnen und wohldosierte Finanzspritzen -- eine erstaunliche Wirkung erzielt werden könnte. Als am wertvollsten könnte sich dabei langfristig die Erziehungsarbeit erweisen, wenn die Menschen in Taiwan die Vorteile des ökologischen Bauens und eines wacheren Umweltbewusstseins erkennen und annehmen.

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